Schon wieder sind fast zwei Monate vergangen und hier ist es tiefer Winter. Heute möchte ich mal etwas vom täglichen Leben erzählen.
Regierungsgebäude in der Innenstadt von Ekatarinburg |
Meine Schule, Essen und Kultur
Die Schule, in die ich hier in Ekatarinburg ein Jahr lang gehe, befindet sich 30 Minuten von da wo ich wohne entfernt. Hin und her fahre ich mit dem Tram. Es ist eine Schule spezialisiert auf Englisch. Es wird jedoch mit Französisch noch eine zweite Fremdsprache gelehrt, was hier in der Stadt schon ein bisschen Speziell ist. Die Lehrer der Fremdsprachen sind aus meiner Sicht aber katastophal schlecht...
Bei den tieferen Klassen herrschen strenge Kleiderregeln, doch in meinem Alter ist es nicht mehr so wichtig, dass man jeden Tag im Anzug und mit schwarzen Schuhen zur Schule kommt.
Im Unterschied zur Hopro, meiner Schule in der Schweiz, suchen hier die Lehrer keinen "konstruktiven Disput" mit den Schülern. Es ist voll der Frontalunterricht - gähn.
Toll ist an meiner Schule, dass die Lehrer etwa ein Mal im Monat am Abend etwas für die kulturelle Bildung der Schüler organisieren. So war ich schon mehrere Mal im Theater, im Zirkus und im Ballett.
Die Essensmöglichkeiten in der Schule sind wirklich ausgezeichnet. Das Essen ist sehr billig und gut. Für 40 Rubel (1.30 CHF) erhält man ein gutes warmes Essen mit Tee und süßem Dessert. Überhaupt sind diese Kantinen, die es in Ekatarinburg überall gibt, auch für russische Verhältnisse sehr günstig und gleichzeit auch gut. Hier ist es billiger, warm in einer solchen Kantine zu essen als schnell-schnell an einem Kiosk irgendwas Kleines zu kaufen. Das ist wirklich super.
Mein tägliches Transportmittel |
Was ich auch total geniesse ist, dass auch Tickets für Theater-, Ballett und Musikvorstellungen total billig sind. Gestern war ich im städtischen Opern- und Ballettheater und habe mir Tschaikowskis „Schwanensee“ angeschaut - sensationell. So ist meine Russlandzeit bisher auch eine Zeit, in der ich viel mehr von klassischer Kultur mitbekomme als je zuvor in Zürich. Hier ist das einfach viel wichtiger und viele Leute gehen hin.
Nichts mit "Stille Nacht, heilige Nacht"
Weihnachten spielt für die Russen eine sehr kleine Rolle. Da zu Sowjetzeit die Religion konsequent unterdrückt wurde, hat die Neujahrsfeier die zentrale Bedeutung eingenommen Russische Weihnachten würde nach dem orthodoxen Kirchenkalender am 7.Januar gefeiert, aber das ist in meinem Umfeld kaum ein Thema. Also auch kein Weihnachts-Shopping-Stress in diesem Jahr:-)
Meine Wohngegend, noch ohne Schnee |
Grad nachher, am 2. Januar, fahre ich mit dem Zug nach Moskau. Alle Austauschschüler aus der ganzen Welt, die aktuell in Russland sind, werden dort sein. Die Fahrt wird 26 Stunden dauern und ich freue mich schon extrem, noch mehr vom Land zu sehen. Meine erste Reise nach Surkut war einfach supercool, ich hab so viel erlebt, und ich hoffe, dass wird mir bei meinem Moskau-Trip wieder passieren. Und dazu bin ich natürlich extrem gespannt, wie's allen anderen geht. Wir hatten uns schon nach unserer Ankunft in Russland für ein erstes Camp getroffen. Ich glaube, es waren Studenten aus etwa dreissig Länder dort. Ich freue mich darauf, mit ihnen ein paar Tage in Moskau zu verbringen.
Wahlen in Russland
Die Wahlen der Staatsduma in Moskau waren für mich sehr spannend. Ich habe mich im Vorfeld sehr stark für sie interessiert und mich informiert und bin zudem mit meinen Gasteltern mitgegangen, als sie wählen gingen. Ich freue mich bereits auf die Präsidentschaftswahlen, die im nächsten März stattfinden werden.
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Lenindenkmal im Schnee |
Zur Wahl waren 7 Parteien zugelassen. Andere Parteien, die aus Sicht der Regierung zu extreme Positionen vertreten, wurden nicht zugelassen.
In den Wochen vor den Wahlen habe ich sehr häufig TV-Debatten zwischen zwei Vertretern konkurierender Parteien geschaut. Es ist meiner Meinung nach keinesfalls so, dass, wie bei uns immer berichtet, eine Zensur im TV stattfindet und sich nur die Regierungspartei präsentieren kann.
Hier habe ich von Protesten nichts mitbekommen, obwohl es sie in Moskau und Petersburg sicherlich gab. Jedoch wurden diese von westlichen Medien propagandistisch ausgeschmückt. So zeigte der US-Sender Fox, wie hier von russischen Sendern aufgedeckt, blutige Krawalle aus Griechenland und wollte sie dem westlichen Fernsehzuschauer als Proteste gegen die Regierung verkaufen.
Birkenwälder, ein wenig Ausserhalb |
Obwohl viele Leute mit der Regierungspartei nicht einverstanden sind, stehen die Meisten - so ist mein Eindruck aus den Gesprächen, die ich hier gehabt habe - hinter Wladimir Putin, der ihnen ihren Nationalstolz zurückgegeben hat und das von Jelzin an Oligarchen veräußerte Land wieder zu einer gewissen Stärke geführt hat. Seine Partei selbst ist jedoch nicht ganz so beliebt, weil sich in ihr auch viele Gauner eingefunden haben, um Karriere zu machen und die Chancen für ihre Geschäfte zu verbessern.
In der Nachbarschaft unserer Wohnung |
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