Donnerstag, 19. Januar 2012

Neujahr, Moskau und kühle Erfrischungen

Heute, am 19.1.12, war ein wichtiger Russisch-Orthodoxer Feiertag. Der Tag der Taufe von Jesus. Alles Wasser, das man heute abfüllt oder berührt ist für die Russen gesegnet (wenn ich das richtig verstanden habe). 

Um sich Gottes Wohlwollen zu versichern stürzt man sich auf alles Wasser. Speziell für diesen Feiertag wurden Löcher ins fast meterdicke Eis der Seen rund um Jekatarinburg geschlagen. Bei Minus 20 Grad springen die Russen dann ins Eisloch. Drei Mal muss der Kopf unter Wasser, sonst zählt das nicht. 
Ich fuhr mit der Bibliothekarin der Schule zu einem in der Nähe der Stadt gelegenen See, weil sonst niemand mitkommen wollte. Ich habe mich den Russen natürlich angeschlossen....PRRR 
Das kalte Wasser ist ja das eine, aber wenn einem nach dem herauskommen die Füße am Eis festfrieren, dann ist das nicht so angenehm. Dafür ist man danach für den ganzen Tag frisch. Nachdem ich mit viel Mühe die Kleidung wieder anziehen konnte war rennen angesagt, weil man sonst bei diesen Minustemperaturen nie wieder warm wird. Die Russen habe zwar auch ihre eigenen Methoden, um sich von Innen her Wärme zu verschaffen, aber leider hatten wir gerade nichts zur Hand.
Eisloch im See
Moskau

Ab dem 2. Januar  war ich in einem Camp ein wenig außerhalb von Moskau. Es war wirklich toll, die anderen etwa 80 Ausländerinnen und Ausländer, die in diesem Jahr mit AFS in Russland sind, wiederzusehen. Die Reise nach Moskau, die 26 Stunden dauerte, gefiel mir nicht ganz so gut wie meine bisherigen Reisen mit dem Zug in Russland, weil ich in einem neuen Wagon war, der nicht diesen Charme besass, den ich in den alten Zügen sonst so liebe.
Trotzdem war auch das ein Erlebnis.

Im Camp selbst standen vor allem Präsentationen zum vermitteln der verschiedenen Kulturen der Teilnehmer im Vordergrund. Tönt vielleicht ein bisschen langweilig, war es aber überhaupt nicht. Vom thailändischen Essen über die Unterrichtsstunde im Japanisch bis zur Präsentation über Island war alles extrem vielfältig und spannend. Auch das Unterrichten der Schweizer Sprache hat mir persönlich extrem viel Freude bereitet.

Am letzten Tag vor der Abreise hatten wir dann noch fast einen ganzen Tag im Zentrum von Moskau. Ein erstes Mal habe ich so richtig den Puls der größten Stadt Europas gefühlt. Ich bin auch zum ersten Mal mit der berühmten Moskauer Metro gefahren. Die ist zwar wirklich schön und extrem zuverlässig und alle 1.5 Minuten kommt eine Metro (für jede Linie!), trotzdem hätte ich sie mir noch ein bisschen gewaltiger, eindrücklicher vorgestellt. Vielleicht habe ich aber auch einfach die falschen Stationen, von denen jede einem eigenen Themenbereich gewidmet ist, gesehen.
Moskauer Metro
Der Rote Platz ist im Winter meiner Meinung nach einiges sehenswerter als im Sommer bei meiner Ankunft in Russland. Die verschneite Kreml-Mauer und der blaue Himmel konnten mich nochmals richtig in Hochstimmung versetzen (auch wenn man das Blau auf dem Foto kaum sieht).
Kremelmauer 
Die Basilius-Kathedrale
Neujahr

Neujahr ist für die Russen der wichtigste Feiertag des Jahres. Es ist teilweise richtig krank, wie viel Essen die Russen einkaufen, riesige Mengen, von denen ich ein ganzes Jahr leben könnte. Ich habe mir sagen lassen, dass viele ihr ganzes Erspartes, für das sie ein Jahr lang hart gearbeitet haben, für diese Neujahrsfeier ausgeben.

Ich feierte Neujahr mit meinen Gasteltern zu Hause und danach gingen wir gemeinsam noch an zwei weiteren Neujahrsfesten im Freundeskreis vorbei. Es wurde Kaviar gegessen, Wodka getrunken und um fünf vor zwölf hörte man gemeinsam die Rede des Präsidenten und danach sangen wir die Nationalhymne (die ich natürlich bereits auswendig gelernt habe).
Meine Gastfamilie

Herzliche Grüsse und euch allen ein gutes neues Jahr. 
 

Freitag, 23. Dezember 2011

Dezember 2011 / Wahlen, Weihnachten und Winterwetter

Schon wieder sind fast zwei Monate vergangen und hier ist es tiefer Winter. Heute möchte ich mal etwas vom täglichen Leben erzählen.
Regierungsgebäude in der Innenstadt von Ekatarinburg

Meine Schule, Essen und Kultur
Die Schule, in die ich hier in Ekatarinburg ein Jahr lang gehe, befindet sich 30 Minuten von da wo ich wohne entfernt. Hin und her fahre ich mit dem Tram. Es ist eine Schule spezialisiert auf Englisch. Es wird jedoch mit Französisch noch eine zweite Fremdsprache gelehrt, was hier in der Stadt schon ein bisschen Speziell ist. Die Lehrer der Fremdsprachen sind aus meiner Sicht aber katastophal schlecht...
Bei den tieferen Klassen herrschen strenge Kleiderregeln, doch in meinem Alter ist es nicht mehr so wichtig, dass man jeden Tag im Anzug und mit schwarzen Schuhen zur Schule kommt.
Im Unterschied zur Hopro, meiner Schule in der Schweiz, suchen hier die Lehrer keinen "konstruktiven Disput" mit den Schülern. Es ist voll der Frontalunterricht - gähn.
Toll ist an meiner Schule, dass die Lehrer etwa ein Mal im Monat am Abend etwas für die kulturelle Bildung der Schüler organisieren. So war ich schon mehrere Mal im Theater, im Zirkus und im Ballett.
Die Essensmöglichkeiten in der Schule sind wirklich ausgezeichnet. Das Essen ist sehr billig und gut. Für 40 Rubel (1.30 CHF) erhält man ein gutes warmes Essen mit Tee und süßem Dessert. Überhaupt sind diese Kantinen, die es in Ekatarinburg überall gibt, auch für russische Verhältnisse sehr günstig und gleichzeit auch gut. Hier ist es billiger, warm in einer solchen Kantine zu essen als schnell-schnell an einem Kiosk irgendwas Kleines zu kaufen. Das ist wirklich super. 
Mein tägliches Transportmittel

 Was ich auch total geniesse ist, dass auch Tickets für Theater-, Ballett und Musikvorstellungen total billig sind. Gestern war ich im städtischen Opern- und Ballettheater und habe mir Tschaikowskis „Schwanensee“ angeschaut - sensationell. So ist meine Russlandzeit bisher auch eine Zeit, in der ich viel mehr von klassischer Kultur mitbekomme als je zuvor in Zürich. Hier ist das einfach viel wichtiger und viele Leute gehen hin.


Nichts mit "Stille Nacht, heilige Nacht"
Weihnachten spielt für die Russen eine sehr kleine Rolle. Da zu Sowjetzeit die Religion konsequent unterdrückt wurde, hat die Neujahrsfeier die zentrale Bedeutung eingenommen Russische Weihnachten würde nach dem orthodoxen Kirchenkalender am 7.Januar gefeiert, aber das ist in meinem Umfeld kaum ein Thema. Also auch kein Weihnachts-Shopping-Stress in diesem Jahr:-)
Meine Wohngegend, noch ohne Schnee
Am Neujahr trifft man sich, wie bei uns, mit Familien und Freunden und feiert sehr ausgelassen. Ich werde bei meiner Gastfamilie dabei sein und freu mich auf das Fest trotz potentiellem Kater am nächsten Tag...

Grad nachher, am 2. Januar, fahre ich mit dem Zug nach Moskau. Alle Austauschschüler aus der ganzen Welt, die aktuell in Russland sind, werden dort sein. Die Fahrt wird 26 Stunden dauern und ich freue mich schon extrem, noch mehr vom Land zu sehen. Meine erste Reise nach Surkut war einfach supercool, ich hab so viel erlebt, und ich hoffe, dass wird mir bei meinem Moskau-Trip wieder passieren. Und dazu bin ich natürlich extrem gespannt, wie's allen anderen geht. Wir hatten uns schon nach unserer Ankunft in Russland für ein erstes Camp getroffen. Ich glaube, es waren Studenten aus etwa dreissig Länder dort. Ich freue mich darauf, mit ihnen ein paar Tage in Moskau zu verbringen.  


Wahlen in Russland
Die Wahlen der Staatsduma in Moskau waren für mich sehr spannend. Ich habe mich im Vorfeld sehr stark für sie interessiert und mich informiert und bin zudem mit meinen Gasteltern mitgegangen, als sie wählen gingen. Ich freue mich bereits auf die Präsidentschaftswahlen, die im nächsten März stattfinden werden.
Lenindenkmal im Schnee
Gewählt wird in Russland vor allem in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die Leute erhalten die Stimmzettel vor Ort und wählen zuerst eine Partei und danach die Kandidaten.
Zur Wahl waren 7 Parteien zugelassen. Andere Parteien, die aus Sicht der Regierung zu extreme Positionen vertreten, wurden nicht zugelassen.
In den Wochen vor den Wahlen habe ich sehr häufig TV-Debatten zwischen zwei Vertretern konkurierender Parteien geschaut. Es ist meiner Meinung nach keinesfalls so, dass, wie bei uns immer berichtet, eine Zensur im TV stattfindet und sich nur die Regierungspartei präsentieren kann.

Hier habe ich von Protesten nichts mitbekommen, obwohl es sie in Moskau und Petersburg sicherlich gab. Jedoch wurden diese von westlichen Medien propagandistisch ausgeschmückt. So zeigte der US-Sender Fox, wie hier von russischen Sendern aufgedeckt, blutige Krawalle aus Griechenland und wollte sie dem westlichen Fernsehzuschauer als Proteste gegen die Regierung verkaufen.
Birkenwälder, ein wenig Ausserhalb
Ich bin überzeugt, dass es während den Wahlen zu kleineren Fälschungen gekommen ist. Die Fälschungen waren meiner Meinung nach jedoch weder dafür verantwortlich, dass die Regierungspartei als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen ist noch wurden sie von Moskau aus von Putin oder sonst wem initiiert, sondern wurden von lokalen Gouverneuren und Präsidenten der Republiken Russlands veranlasst. Diese lokalen "Herrscher", die teilweise wie Könige leben, fürchten um ihren Sitz, den sie vom Präsidenten zugesprochen bekommen. Das Problem liegt also meiner Meinung nach am System, dass die Governeure von Moskau aus ernannt werden. Wenn in ihrer Region die Regierungspartei nicht gewinnt, kann es sie ihre Macht kosten und deshalb ist ihr Interesse groß, dass die Regierungspartei möglichst viel Prozentpunkte in ihrem Gebiet holt.
Obwohl viele Leute mit der Regierungspartei nicht einverstanden sind, stehen die Meisten - so ist mein Eindruck aus den Gesprächen, die ich hier gehabt habe - hinter Wladimir Putin, der ihnen ihren Nationalstolz zurückgegeben hat und das von Jelzin an Oligarchen veräußerte Land wieder zu einer gewissen Stärke geführt hat. Seine Partei selbst ist jedoch nicht ganz so beliebt, weil sich in ihr auch viele Gauner eingefunden haben, um Karriere zu machen und die Chancen für ihre Geschäfte zu verbessern.

In der Nachbarschaft unserer Wohnung
Kurz vor den Wahlen waren viele in unserer Oblast (Bezirk in Russland) sehr erzürnt, weil der hiesige Gouverneur, der sich bei einem von seinem Fahrer verschuldeten Unfall bei etwa 180 km/h schwer verletzt hatte, bekannt geben liess, für ihn sei die medizinische Versorgung (für die er schliesslich mitverantwortlich ist), nicht gut genug und sich deshalb auf Kosten der Steuerzahler nach Deutschland in monatelange Pflege ausfliegen ließ, während ein anderer am Unfall beteiligter Verletzter im Krankenhaus starb....

Donnerstag, 24. November 2011

November 2011 / Ekaterinburg-Surgut und zurück

Hallo zusammen ich schreibe mal ein bisschen etwas über Russland...

Heute bin ich auf dem grössten Markt "meiner" Stadt Ekaterinburg gewesen. Dieser Markt wird nur von Leuten aus Vietnam, China und den ehemaligen Sowjetrepubliken betrieben. Von diesen Leuten hat es sowieso sehr viele in der Stadt. Ich habe zwar heute nichts gekauft aber vieles angeschaut....Der Markt ist sehr billig aber die Qualität ist auch nicht besonders. Als ich da das letzte mal Fleisch gegessen habe war es auch nicht besonders fein und meine Gastmutter hat mir gesagt, dass sie da nur Hundefleisch verkaufen...iiih...
In der Schule habe ich gestern eine Präsentation über die Schweiz gemacht...war nicht sonderlich gut...Aber seit ich in Russland bin hat sich meine Einstellung gegenüber der Schweiz ziemlich verändert und es hat sich ein gewisser Patriotismus gebildet...
Ich auf Grenze Europa Asien...

Anfang November war ich für eine Woche in Lyantor, einer kleinen Stadt in Sibieren mit 50’000 Einwohnern, die erst vor 70 Jahren gegründet wurde...);noch ein bisschen weiter im Osten Russlands (was noch nicht wirklich weit ist). Wir sind dahin 22Stunden mit dem Zug gefahren und die Reise war einfach toll!!! 
Zug nach Surgut,
61° 15′ 0″ N, 73° 26′ 0″ O (Karte)
Surgut (Russland)
Red pog.svg

Lage in Russland
Surgut (Autonomer Kreis der Chanten und Mansen/Jugra)
Red pog.svg

Autonomer Kreis der Chanten und Mansen/Jugra
Liste der Städte in Russland


Wir fuhren am Nachmittag um 2-Moskauer Zeit (In Russland sind die Zugabfahrtszeiten auf allen Tickets und Infotafeln in Moskauer Zeit angegeben...) ab.  Am Anfang hat es zwar noch geregnet doch als wir weiter in den Nordosten gekommen sind fuhren wir durch eine verschneite Landschaft - sehr schön...Im Zug habe ich mit einigen interessanten Leuten gesprochen. Fast alle im Zug sind nach Sibirien gefahren, um für die Russischen Ölfirmen entweder Öl zu suchen oder Pumpen zu errichten. Ich habe zum Beispiel erfahren, dass die Ölarbeiter bereits mit 45 Pensioniert werden, da die Arbeit so hart und ungesund ist oder dass sie einen Monat in Sibirien arbeiten und dann für einen Monat in Zentralrussland bei ihren Familien leben. Mehr als einen Monat am Stück könne man nicht arbeiten...Zudem haben sie mir erzählt, dass sie früher zu Sowjetzeiten viel mehr verdient hätten...
Obwohl mir die Volunteers in Ekaterinburg gesagt hatten, ich solle im Zug keinesfalls Karten spielen, habe ich mich von ein Paar sympatischen Studenten, die gerade von der Stadt Tjumen, in der sie studieren nach Surgut von wo sie herkommen fuhren zu einer Partie verleiten lassen. Russische Züge halten in grösseren Städten immer länger manchmal bis zu 1 Stunde. Kurz nach Mitternacht stand ein längerer halt in Tobolsk (ich finde den Namen irgendwie cool) an. Die Studenten erzählten mir ein bisschen etwas über die Stadt. Da der Zug 20 Minuten hielt stiegen ich und die Studenten kurz aus und sahen uns die Sachen an, die alte Frauen auf dem Bahnsteig zum Verkauf anboten. Doch allzu weit vom Wagon sollte man sich besser nicht entfernen, denn es ist schon mancher neugierige Tourist in irgendeinem Sibirischen Kaff sitzen geblieben, wie mir mahnend erzählt wurde. Dann habe ich mich schlafen gelegt. Nur mit einer Unterhose bekleidet(im Zug war es gefühlte 50 Grad heiss) schlief ich, vom Schnarchen der anderen Leute mal abgesehen, sehr gut.

Am nächsten Morgen wurden wir am Bahnhof von Surgut von Volunteers empfangen und mit dem Bus nach Lyantor, wo unser Lager stattfinden sollte, gebracht. Man traf seine Familie, bei der man diese Woche wohnen sollte, in der Schule des Bezirks. Lyantor ist einiges sauberer und schöner als Ekaterinburg, weil sie hier von den Ölkonzernen extrem viel Geld haben. Die Schule, in der wir uns trafen, war erst 2 Jahre alt und hatte ein eigenes Schwimmbad, unglaublich für russische Verhältnisse.
Die Familie, die AFS für mich organisiert hatte, war ein ukrainische Familie. Jeden Sommer verbringen sie 3 Monate in Donetsk im Osten der Ukraine. Die Familie war super und ich hatte eine geniale Woche.
Ich und mein Gastbruder vor der Schule in Lyantor
Wenn man an Russland denkt, denkt man immer gleich an ein homogenes Volk, doch dem ist überhaupt nicht so. In Russland lebt eine immense Zahl Ureinwohner und anderen Volksgruppen...
Von traditioneller Kleidung über rassige Chantische Musik haben wir viel über  die Kultur der Chanten und Mansen erfahren. (Lyantor liegt im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen)
Auf dem Programm stand zudem eine Fahrt auf dem Schneeschlitten...eine tolle Sache, Bei Minus 28° durch sibirisch Wälder rasen. eifach nume frächh...))
Letzter Tag in Lyantor, Aussentemperatur -28°
 
Zudem machte ich einige Präsentationen über Schweiz und unser Schulsystem (das meiner Meinung nach viel besser ist als alles andere was ich gesehen habe).

Gruss Yann und bis zum nächsten Mal.